"Play possum" sagen die US-Amerikaner, wenn sie sich totstellen oder einfach tun, als wären sie nicht zu Hause und nicht ans Telefon gehen. Opossums stellen sich tot, wenn sie Gefahren ausgesetzt sind.
Hintergrund
Viele andere Tiere erstarren in Regungslosigkeit, um dem Tod zu entrinnen. Ist die Gefahr vorbei, setzt ein physiologischer Prozess ein. Das Tier fängt an zu vibrieren und zittern, bis es wieder normal funktioniert.
Das Zittern der Muskeln wird beim Menschen im Allgemeinen als ein krankhafter Ausdruck von Stress gesehen und gehört zu den diagnostischen Kriterien einer Reihe von Erkrankungen, wie Panikattacken, soziale Phobie, generalisierte Angststörung und posttraumatische Belastungsstörung. Die Ursache und die Funktion dieses Zittern wurde wenig erforscht.
Der menschliche Körper reagiert in gefährlichen Situationen ähnlich wie die Tiere. Der darauffolgende natürliche Entspannungsprozess in Form des Zitterns bleibt jedoch bei vielen Menschen aus, entweder weil diese natürliche Antwort des Körpers unterdrückt wird oder weil sich aufgrund von Dauerstress eine chronische Muskelanspannung im Körper gebildet hat.
Die Erstarrung oder das Zittern ist ein Beispiel dafür, wie die Psyche auf den Körper wirkt und der Körper auf die Psyche. Es gibt viele andere Wechselwirkungen zwischen Körper und Psyche, wie Angstschweiss, Herzklopfen, Tränen und Schamröte. Dies sind natürliche Vorgänge im Körper und werden in erster Linie nicht mit Krankheit in Verbindung gebracht.
Der Neurophysiologe Stephen Porges meint, dass es eine "medizinische" Voreingenommenheit gäbe, "Tremor" bzw. das Zittern als klinisches Symptom zu verwenden. Er spricht von einem isometrischen Zittern, das bei willentlichen Muskelkontraktionen ohne Bewegung auftrete, zum Beispiel wenn man sich gegen eine Wand drücke. Das Nervensystem reguliere die Muskelkontrolle durch unwillkürliches Zittern. Dieser Prozess werde als «physiologischer» Tremor bezeichnet, um ihn vom pathologischen Tremor zu unterscheiden. Ricardo Cassiani Ingoni PhD konnte beispielsweise nachweisen, dass im Rückenmark und Stammhirn sogenannte Central Pattern Generators (GPGs) lokalisiert sind, die eine Art neuronales Netzwerk darstellen, das rhythmische motorische Bewegungsmuster produziert. Cassiani geht davon aus, dass die Bewegungsmuster, die während einer TRE®--Sitzung beobachtet werden, Ausdruck einer GPG-Aktivierung sind.
In der Heilkunst hat das Zittern eine lange Tradition. Der Anthropologe Erwin Schweitzer zeigte auf, dass Praktiken, wie das Zittern eine anthropologische Geschichte haben. Das Zittern sei weltweit in heilenden und spirituellen Kontexten verbreitet. Im Qi Gong gäbe es eine Übung namens «das zitternde Pferd». Zitternde Praktiken finden sich im Kundalini Yoga, im japanischen Seiki Jutsu und bei den Inuit-Schamanen.
TRE®- Methode
Die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche kann auch therapeutisch genutzt werden. Die TRE®- Methode wurde durch Dr. David Berceli entwickelt. In jungen Jahren leistete Berceli an verschiedenen Orten der Welt humanitäre Hilfe. Zurück in den Staaten, liess er sich zum bioenergetischen Körperpsychotherapeut ausbilden. Die Bioenergetik ist ein psychologischer Ansatz, der unter anderem die heilsame Verarbeitung von Trauma oder Stress mit Einbezug des Körpers in Gang bringt. Berceli absolvierte zudem eine Ausbildung in Feldtraumatologie, die es ihm ermöglichte, in Krisengebieten Traumabehandlungen anzubieten. Die Idee zu TRE® kam Berceli, als er sich zusammen mit anderen in einem Gebäude befand, das unter Beschuss stand. Er beobachtete, dass die Gruppenmitglieder jedes Mal, wenn eine Explosion stattfand, die gleiche Reaktion zeigten, sie versteinerten. Diese Erfahrung verband er mit körperpsychotherapeutischen Wissen und er überlegte, wie er traumatisierten Menschen helfen konnte. Aus der Bioenergetik ist bekannt, dass das «Zittern» Muskelanspannungen lösen kann. Dabei werden die Muskel durch bestimmte Übungen stark belastet und die Muskel beginnen zu zittern. Durch das Muskelzittern entlädt sich die Anspannung oder wie es Stephen Porges ausdrücken würde, es stellt sich ein physiologischer Tremor ein. Berceli entwickelte sieben Übungen, um das Zittern auszulösen. Die Methode musste einfach erlernbar, mit grossen Gruppen durchführbar und selbständig praktizierbar sein. Heute wird TRE® auf der ganzen Welt sowohl von Einzelpersonen als auch durch grosse Organisationen mit Erfolg als Erste Hilfe in Krisengebieten angewendet.
Die Ausübung der TRE®-Methode kann dir helfen, deinen hohen Stresslevel durch das hervorgerufene Zittern zu reduzieren.
Es empfiehlt sich, bei schwerwiegenden traumatischen Erlebnissen die Übungen mit einem erfahrenen Körperpsychotherapeuten auszuführen, da die sprachliche Auseinandersetzung mit dem Trauma und im Falle von starken Reaktionen die Anwesenheit einer Fachperson Sinn macht.
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